Digitale Logos-Edition
In diesem Kommentar wird gezeigt, wie Paulus die Tora für Menschen aus den Völkern auslegt: konkret, lebensnah, sensibel und argumentierend. Er sucht nach Bildern für eine Hoffnung, die dem Tod standhält. Er schreibt die Gebete und Lieder auf, die in den messianischen Gemeinden seiner Zeit gesungen wurden. Und: Er widerspricht sich selbst, vor allem in seiner Vorstellung, wie Frauen zu sein hätten, und in seinem faktischen Umgang mit ihnen. Dass in diesem Brief die berüchtigten frauenfeindlichen Sätze des Paulus zu finden sind, ist heute oft die erste Assoziation. Darüber hinaus ist der Brief durch die lange und ausgeprägte Auslegungstradition belastet, die Paulus zur Rechtfertigung christlicher Herrschaftspositionen benutzt hat: Die Gestalt des Paulus war die Projektionsfläche für christliche Amtsträger und ihre Herrschaft über das Kirchenvolk. Und - noch verhängnisvoller: Paulus war der Inbegriff einer christlichen Identitätsfindung durch negative Abgrenzung zum Judentum als einer „Gesetzesreligion“. - Eine Neuentdeckung des Paulus ist fällig.
“Paulus und die messianischen Gemeinden üben eine andere Praxis: Alle betenden Frauen haben eine Kopfbedeckung, alle Männer keine. Damit wären die Herrschaftsverhältnisse innerhalb der Klassengesellschaft unsichtbar und d. h. auch nicht-existent. Außerdem hätten alle in gleicher Weise eine aktive Rolle in Kult und in der Lehre.” (Page 202)
“ist aus seiner Perspektive die Bedeckung des Kopfes notwendig, um die sexuelle Nichtverfügbarkeit zu zeigen” (Pages 201–202)
“Die Haare der Frauen werden als Teil ihrer Sexualität541 verstanden.” (Page 201)
“dass dieser Text heute nicht mehr Wort Gottes sein kann” (Page 100)
“gar einen paterfamilias der Oberschicht zu imitieren.” (Page 200)
Prof. Dr. Dr. h. c. Luise Schottroff (1934-2015) lehrte Neues Testament an den Universitäten Mainz, Kassel und Berkeley/USA.